Living Moments - N°4 Edition 2017

128 7TaTYR 8ZXPY_^ Edition 4 · 2016/17 Bei jedem Tritt macht es »Sabsch!« Schnell stehen die Gum- mistiefel knöchelhoch imWasser. Dann reicht die Nordsee bis fast zum Knie. Und kurze Zeit später sind wir da – imWatt vor List: Vor uns, neben uns, hinter uns das Meer und dazwischen die Sylter Royal. Die einzige Auster, die in Deutschland wächst. Gerade ist Ebbe, da lugen die Austernbänke aus demWasser. Wenn die Flut kommt, verschwinden die Metallgestelle mit den Netztaschen, in denen die Nobelmuscheln wachsen, wie- der im Meer. Eine Kinderstube mit fließend Wasser, Sonnen- schein und guter Betreuung. Christoffer Bohlig, Meeresbiolo- ge, Diplom-Ingenieur und Betriebsleiter bei der Dittmeyer’s Austern Compagnie kümmert sich um seine bis zu männer- handgroßen »Zöglinge«, denen das Spiel mit Ebbe und Flut Spaß zu machen scheint. Er betreut die einzige Austernzucht Deutschlands. 100 Ton- nen werden hier jährlich produziert und rund eine Million der delikaten Muscheln an Genießer verschickt. Das klingt nach viel. Ist es aber gar nicht. Zum Vergleich: In Frankreich produ- ziert man 240.000 Tonnen pro Jahr. Dort gehört die Luxusmu- schel viel selbstverständlicher auf die Karte der Restaurants als beim östlichen Nachbarn. Was im Watt vor List auf Sylt wächst, ist die Pazifische Fel- senauster – wie fast 95 Prozent aller Austern, die weltweit auf dem Teller landen. »Die wächst schnell und ist zudem auch noch robust!«, weiß der hünenhafte Mann, der sich seine Wollmütze tief ins Gesicht gezogen hat. Hier im Watt kontrolliert er die Bestände, das Wachstum und die Wasser- verhältnisse. Die Europäische Auster, die früher vor Sylt vor- kam, wurde rigoros überfischt. Krankheiten machten den letzten Exemplaren den Garaus und spätestens seit den 1950er Jahren ist sie so gut wie ausgestorben. Dabei zählte man um 1870 zwischen Röm (dänisch: Rømø), Sylt, Amrum und Föhr noch ganze 47 Austernbänke, von denen mehrere über vier Kilometer lang waren. In Keitum, Hörnum und List war die Austernfischerei eine wichtige Einnahmequelle. Erst 1986 begann man in List mit der Austernzucht. Und konnte dabei auf eine lange Erfahrung zurückgreifen. Denn Austern gehören zu den ältesten Aquakulturprodukten der Welt. Bereits vor 2500 Jahren hatten die Römer Verfahren ent- wickelt, um die begehrten Schalentiere gezielt anzusiedeln. »Es ist nicht die Kälte. Die macht den Austern nicht so viel aus! Aber wenn es friert, rollt das Eis wie eineWalze über die Aus- ternbänke und zerstört alles!«

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc1MzM=